Man könnte denken, es ginge uns als Forum für Mittellange Filme gar nichts an, dieses Thema, das nun seit Cannes wieder heiß diskutiert wird, nämlich die Frage: Wann ist ein Film wirklich ein Film? Filmpuristen sind sich einig, dass er für’s Kino gemacht sein und auch dort gezeigt werden muss. Damit wollen Sie Filme von Netflix, Amazon & Co. in ihre Schranken weisen. Was sie damit aber im Grunde auch tun: Sie sprechen den Kurz- u. Mittellangen Filmen ihren selbstdefinierten „Film“-Status ab. Denn auch diese Filme haben (noch) keine Chance auf Kinoauswertung. Macht sie das zu schlechteren Filmen? Nein! Da wir uns generell für die künstlerische Gleichberechtigung von Filmen, gleich welcher Länge oder Aufführungsort einsetzen, haben wir uns mal so unsere eigenen Gedanken zu dem Thema gemacht.
Der Traum vom Kino-Olymp
Einen Film im Kino zu sehen, in einem vollkommen dunklen, wohltemperierten Saal, gefüllt mit tausend weiteren Menschen, die sich ebenso wie man selbst auf diesen Film freuen und viel Staunenskraft und Leidenschaft aber kein Naschwerk mitgebracht haben und in bequem ergonomisch geformten Sitzen in großzügig angeordneten Reihen mit ausreichend Arm- und Beinfreiheit Platz genommen haben, um ihren Blick ungestört und erwartungsfroh auf die überdimensional große Leinwand zu richten, auf die hehre Filmkunst in brillanter Technik und glasklarem Dolby Surround Sound projiziert wird – ja das sind die perfekten Parameter für wahren Filmgenuss. Das Ideal, nach dem sich ein Cineast sehnt. Tun wir mal so, als gäbe es dieses Ideal, das so natürlich im normalen Spielbetrieb gar nicht, und annähernd auch nur bei Galavorstellungen großer Filmfestivals existiert. Einen Ort also, den der „normale“ Zuschauer nicht kennt und daher auch kaum vermissen kann. Ein paar Privilegierte aber, die schon einmal im Berlinale Palast und dem Salle Lumière in Cannes Platz nehmen durften, die kämpfen um diesen Zauber als wäre es der letzte Schutzwall der Filmkultur.
Diesen imaginären Olymp gilt es für Traditionalisten heutzutage zu verteidigen gegen einen immer schneller um sich greifenden Rezeptionswandel hin zu immer kleineren Bildschirmen, die im schlimmsten Falle die Größe eines iPads nicht übersteigen. Möglich machen diesen Umsturz der Sehgewohnheiten Streaming-Anbieter wie Netflix, Amazon, Sky, Hulu und demnächst auch Apple. Solange diese Firmen nur Fremdproduktionen und vor allem Serien im Angebot hatten, sah man von Seiten der Studios, Kinos und Verleiher keine größere Bedrohung. Nun aber, da diese Firmen eigene Inhalte produzieren, quasi selbst zu Filmstudios wurden, sich im Fall von Amazon sogar so nennen, liegt der Fall anders: Seit 2015 stecken diese Anbieter, die jahrelang mit ihrem Streaming-Angebot beträchtliche Gewinne erwirtschaftet haben, diese in eigene Produktionen, und das nicht nur in Serien, sondern auch in Spielfilme. Filme, wohlgemerkt, die sonst kein Studio machen würde, weil ihnen die Projekte zu riskant, zu teuer oder beides sind (Paramount z.B. ließ Martin Scorsese nach dem „Silence“-Flop im Falle der 125 Mio. Dollar-Produktion „The Irishman“ alleine, was ihn letztlich in die Netflix-Arme trieb, die dem Altmeister nicht nur künstlerische Freiheit sondern auch das nötige Geld zur Verfügung stellten. Warum aber begnügt man sich bei Amazon, Netflix & Co nicht mehr wie bislang mit dem Ankauf von Filmtiteln, sondern drängt nun auch ins Studio-Geschäft? Die Antwort ist simpel: Autarkes Handeln und Kundenbindung. Bei Fremdproduktionen mussten sich Streamingdienste an Auswertungssperren halten, die es ihnen neun bis zwölf Monate lang untersagte, Kinofilme zu streamen. Mit Eigenproduktionen konnte diese Regelung umgangen und Kunden sogar exklusiv Filme angeboten werden. Das erhöht die Attraktivität in den Augen der Abonnenten (mittlerweile rund 125 Millionen allein bei Netflix gegenüber 57 Millionen Abonnenten vier Jahre zuvor), und die spülen nun mal das Geld in die Kasse.
Das Amazon-Modell
Der erste Film, den Amazon Studios produzierte war Spike Lees „Chi-Raq“ (2015), der bei der Berlinale aufgeführt wurde. Es folgten 2016 Filme wie der oscarprämierte „Manchester by the Sea“ (u.a. mit Festivalteilnahmen in Sundance, Telluride, Toronto, Rom, New York, London), Jim Jarmuschs „Paterson“, Woody Allens „Café Society“ und Todd Haynes’ „Wonderstruck“ (2017) die es allesamt in den Wettbewerb von Cannes geschafft hatten. Amazon war von Anfang an bestrebt, eine Art Basis der friedlichen Koexistenz mit Kinos zu finden und bot ein exklusives maximal 8-wöchiges Auswertungsfenster an, bevor man die Online-Vorführung startete. Amazon bewerkstelligte den Vertrieb auch bewusst nicht selbst sondern über anerkannte Firmen und Verleiher wie Filmnation, Bleeker Street, und Roadside Attractions und erleichterte es Kinos dank etablierter Distributionswege, mit ihnen ins Geschäft zu kommen und den Grundstein für eine perfekte Win-Win-Situation zu legen. Die Filme erfuhren durch den Kinostart und damit verbundene redaktionelle Filmkritik mehr Aufmerksamkeit, Bekanntheit, Prestige und letztlich auch höhere Gewinne. Diese Strategie ist wohl auch mit ein Grund dafür, dass Amazon bei der Debatte rund um das 71. Festival in Cannes, wo man Netflix-Filme aus dem Wettbewerb verbannte, unbeschadet hervorgeht und auch äußerst prominent eine ihrer diesjährigen Co-Produktionen, Terry Gilliams „The Man who killed Don Quixote“ als Abschlussfilm platzieren konnte, auch wenn Amazon mittlerweile aufgrund der andauernden Streitigkeiten zwischen allen beteiligten Produzenten seine bereits investierten 2,5 Mio. Dollar lieber verfallen und zog sich nach zahlreichen gescheiterten Vermittlungsversuchen aus dem Projekt kurz vor Festivalstart komplett zurück zog.
Das Netflix-Modell
Anders geht Konkurrent Netflix mit seinen Filmen um. Doch um gleich zu Beginn mit einem Vorurteil aufzuräumen: Auch Netflix-Filme kann man z.T. in Kinos sehen (Mudbound von Tobis, What happened to Monday von Paramount, Berlin Syndrom vom MFA herausgebracht), allerdings in anderen Fällen in den USA oft auch ohne Vorlauf in wenigen ausgewählten Kinos und parallel zum Streaming-Start. Das heißt Filmfans steht es frei, ob sie den Film zu Hause am Fernseher oder ihn im Kino auf der großen Leinwand sehen wollen. Dass diese Entscheidung bei Vielen vermutlich aufgrund des leichteren und günstigeren Zugangs mehr und mehr zugunsten von Home Cinema ausfällt, kann man in einer Gesellschaft, die immer noch den Gesetzen der freien Marktwirtschaft unterliegt, nicht Netflix anlasten. Auch das nun von vielen Kritikern ins Feld geführte Argument, Netflix könne seine Filme ohne die glamouröse Cannes-Premiere PR-technisch längst nicht so effizient promoten, kann so nicht unbestritten bleiben. Die Filme, mit denen man im vergangenen Jahr an der Croisette im Wettbewerb vertreten war (Noah Baumbachs „The Meyerowitz Stories“ und Joon-Ho Bongs „Okja“) liefen später auf der Streaming-Plattform keinen Deut besser als vergleichbare Filme ohne Festival-Start (wie z.B. David Michôds „War Machine“ oder Duncan Jones „Mute“). Hingegen konnte sich Cannes allein durch diese beiden Filme mit Hollywood-Stars wie Dustin Hoffman, Ben Stiller, Adam Sandler, Emma Thompson, Tilda Swinton, Jake Gyllenhaal und Paul Dano schmücken. Da darf man schonmal die Frage stellen, wer hier öffentlichkeitswirksam stärker profitiert hat. Netflix wird auch trotz der Verbannung aus dem Wettbewerb von Cannes an seiner Strategie festhalten und Filme lieber mit verlässlicheren und dankbareren Festivalpartnern wie Telluride, Toronto und dem New York Film Festival launchen, oder – und das war bislang ohnehin die erfolgreichste Variante – ganz ohne Kino- u. Festivaleinsätze. Weltpremieren im Netz wie im Falle von David Ayers „Bright“, Alex Garlands „Auslöschung“ oder „The Cloverfield Paradox“ waren für den Streaming-Anbieter mit großem Abstand die erfolgreichsten Filme mit den meisten Zugriffszahlen und dem größten Abonnenten-Anstieg.
Ein Kampf der nur Verlierer kennt
Und wenn man es mal ganz nüchtern betrachtet, was beim Thema Film zugegebenermaßen schwer fällt, dann war absehbar, dass der „Cannes vs. Netflix“-Fight nur Verlierer produzieren kann. Das Festival muss nun auf Perlen wie die Uraufführung von „The Other Side of the Wind“ verzichten, der cineastischen Sensation schlechthin, handelt es sich hier doch um den endlich fertiggestellten letzten Spielfilm von Orson Welles. Netflix wiederum muss angesichts der Absagen Regisseure wie Alfonso Cuaron, Paul Greengrass und vor allem Jeremy Saulnier trösten. Letzterer war bislang mit all seinen Filmen (Blue Ruin, Green Room) an der Croisette in der Quinzaine vertreten, dass er nun mit seiner bislang größten Produktion „Hold the Dark“ außen vor bleiben muss, dürfte ihn sehr schmerzen. Wer also dem Festival in Cannes applaudiert und im Kampf gegen Netflix beisteht, der denkt zu kurz.
Man könnte den Streit auch als rein französisches Phänomen abtun, denn nur dort gibt es seit kurzem die ebenso absurde wie anachronistische Regelung, wonach Filme, die in Frankreich im Kino gestartet sind, erst drei Jahre später gestreamt werden dürfen. Hand aufs Herz, wieviele Mittelfinger würden Sie als Streamingdienst, dessen Filme das Festival gerne dennoch zeigen möchte, angesichts einer solchen Regelung den Verantwortlichen zeigen, die auf solch utopischer Exklusivität beharren? Cannes muss schon bald sowohl die Dominanz als auch die Abhängigkeit von Netflix & Amazon anerkennen, denn es braucht dessen Hollywood-Stars auf dem roten Teppich. Und so war bei der diesjährigen Eröffnung Martin Scorsese – mit der Carosse d’or für sein Lebenswerk bedacht – sicherlich nicht zufällig sondern eher demonstrativ zu sehen: In seinem im kommenden Jahr startenden Film „The Irishman“ versammeln sich mit Robert De Niro, Al Pacino, Harvey Keitel und Joe Pesci alle großen Namen der Mobster-Meisterwerke der letzten 40 Jahre. Es liegt auf der Hand, dass kein Festival, das Weltruf für sich reklamieren möchte, auf so einen Film – auch wenn er von Netflix produziert wurde – verzichten kann, denn mehr Kino geht eigentlich nicht. Lenkt also Cannes nicht bald ein, wird eben Kosslick in seinem letzten Jahr der Nutznießer dieser Fehde sein. Auch Thierry Frémaux ist klar, dass Cannes vor den neuen Entwicklungen nicht die Augen verschließen kann. Im Gespräch mit Screen Daily ruderte er vorsorglich schon mal etwas zurück: “2018 stehen wir leider da, wo wir stehen. Aber ich bin mir sicher, dass sich viel ändern wird. Netflix wird sich ändern, und Cannes auch.“ Zuvor gab er sich dem Hollywood Reporter noch wesentlich resoluter als er sagte „Netflix und Amazon geben Regisseuren zwar die Möglichkeit, mit großen Budgets zu arbeiten aber dabei entstehen Hybride, die weder Fernsehen noch wirklich Film sind.“ Dies impliziert natürlich die Frage, was einen Film zum „Film“ macht? Steht das Wort „Film“ im Frémaux’schen Sinne als Synonym für Kino?
Die verdeckten Interesse der Industrie
Obgleich nicht nur Thierry Frémaux eine deutliche Trennlinie gezogen sehen möchte zwischen Kino und Streamingdienst. Unlängst gab nämlich auch Steven Spielberg zu Protokoll, dass seiner Meinung nach, Filme von Netflix oder Amazon sich nicht für Oscars qualifizieren dürften, sondern höchstens für Emmys. Diese Aussage trifft der Mann kühl kalkulierend wider besseres Wissen. Denn er weiß als Regisseur nur zu gut, dass die Produktionstechnik selbst sich nicht unterscheidet, ganz gleich, für welche Endverwertung der Film entsteht. Arri Alexa oder Panaflex kommen hier wie dort zum Einsatz, werden teils von den gleichen Kameraleuten geführt. Ja manchmal werden ironischerweise Filme, die von Amazon oder Netflix in Auftrag gegeben wurden, wie z.B. Luca Guadagninos „Suspiria“ sogar noch analog auf 35 mm gedreht, während Kinofilme wie Spielbergs „Big Friendly Giant“ komplett digital entstehen. Hier spricht Spielberg eher als Konkurrent in seiner Funktion als Produzent und Studio-Chef von Amblin Entertainment, einer Firma, die nicht nur für seine eigenen Filme seit E.T. verantwortlich zeichnet, sondern auch über 100 andere Filme, darunter samt und sonders Filme wie Gremlins, Goonies, Transformers, Men in Black, Super 8 oder Zurück in die Zukunft, die man gedanklich ohnehin im kindlichen Spielberg-Universum verortet, aber auch Clint Eastwoods „Brücken am Fluss“, „Flags of our Fathers“ „Letters from Iwo Jima“ und Rob Marshalls „Memoirs of a Geisha“. So wie auch andere Filmemacher wie Christopher Nolan, die so stürmisch gegen den neuen Platzhirsch wettern, dies weniger aus Überzeugung als aus Eigennutz tun. Aber können gerade Leute wie Nolan oder Spielberg sich nicht mehr daran erinnern, wie sehr es schmerzte, als sie noch zu Beginn ihrer Karrieren aus ähnlich fadenscheinig pseudoelitären Gründen aus vielen Preisverleihungen ausgeschlossen wurden, einfach weil ihre Filme als zu kommerziell galten? Andere Kollegen sehen das ohnehin nicht so verbissen: Gefeierte Filmkünstler und -autoren von Woody Allen bis Jim Jarmusch, von Martin Scorsese bis David Fincher drehen für Streaming-Dienste, was die Grenzen zwischen großer Leinwand und kleinem Bildschirm längst fließend macht. Es geht also weder um Ästhetik noch Filmkunst, denn beides kann und wird unstrittig von beiden Parteien geboten. Nein, es sind faustdicke wirtschaftliche Überlegungen, die dieser Diskussion, der sich jetzt so viele Fachleute nur allzu bereitwillig anschließen, zugrunde liegen. Gerade das Wort Filmkunst (Achtung, es heißt bewusst nicht Kinokunst) gibt Aufschluss darauf, um was es eigentlich gehen sollte: Um das Geschichtenerzählen in bewegten Bildern. Ein Filmfestival muss – will es eine Relevanz für cinephiles Publikum haben und behalten – als einziges Auswahlkriterium für Filme lediglich deren Qualität und Originalität und nicht Provenienz oder Auswertungsform zum Maßstab machen. Wären alle Netflix- u. Amazon-Filme so schlecht, wie uns Spielberg glauben machen will, bedürfte es seines vehementen Einsatzes im übrigen gar nicht, dann hätten sie bei Preisverleihungen ohnehin keine Chance. Nein, sein Problem ist vielmehr, dass die Qualität einiger Filme sehr hoch ist und sie dadurch seinen eigenen Produktionen gefährlich werden könnten im Kampf um Filmpreise, mediale Aufmerksamkeit, Zuschauergunst und Geld.
Geht mal häufiger ins Kino, Ihr, die Ihr dafür kämpft!
Kommen wir nochmal auf den Anfang zurück: Den unbestritten idealen Ort für Filme, das Kino und die Frage „Was ist das überhaupt?“ Ist es ein Ort oder ein Perzeptionszustand? Sollte ersteres der Fall sein, dann sieht die Realität für einen Cineasten heute nicht ganz so rosig aus, wie das Idealbild, für das nun alle diese Scheingefechte ausgefochten werden: Will ein Filmenthusiast einen kleinen Independent-Arthouse-Film im Kino sehen, muss er a) in einer Großstadt wohnen oder selbige aufsuchen, b) sich in ein kleines, oft nicht mit neuester Technik ausgestattetes Kino begeben, dessen Leinwand kaum größer als seine Bettdecke ist. Er hat auch nicht die Möglichkeit den Film gemeinsam mit vielen anderen Gleichgesinnten zu schauen, denn meist verlieren sich nur drei bis fünf Besucher in seine Vorstellung, die allesamt im Anschluss nicht gerade den redeseligsten Eindruck zum Gedankenaustausch machen. Will er einen Film auf größtmöglicher Leinwand mit hundert anderen Menschen sehen, muss er zur Primetime einen Blockbusterstreifen wählen und ist dann in Gesellschaft einer von infantiler Regression gesteuerten, sich permanent geräuschvoll Popcorn in den Mund schaufelnden auf ihr Handy starrenden menschlichen Masse, deren Erwartung an den Film jene ist, dass sie sich für 2 Stunden halbwegs effektvoll aus ihrem ereignis- und bedeutungsarmen irdischen Dasein katapultieren können. DAS ist Kino heute, und da kann man auch einen Berlinale-Direktor verstehen, dem dabei die Lust am herkömmlichen Kinobesuch vergeht und der dem eigenen, ungestörten Heimkinovergnügen den Vorzug gibt.
Home Entertainment versus Kino
Das wiederum wirft die Frage auf: Funktioniert Kino auch daheim? Klare Antwort: Es kommt drauf an. Mittlerweile haben viele Filmfans ihr Heimkino technisch derart hochgerüstet, dass es den oben beschriebenen abgeranzten Programmkinos den Rang abläuft. Wenn sich ein solcher Filmfreund, dann auch noch ein paar gleichgesinnte Freunde einlädt und ihnen den neuesten Scorsese-Film auf Netflix streamt, im Anschluss noch „Good Fellas“ als Schmankerl auf BluRay hinterher, und man sich dann die Köpfe heiß debattiert über die Frage, wann Scorsese am besten war, was ist das dann, was dieses Grüppchen Filmenthusiasten da macht? Wieviel cineastische Edukation findet heute autodidaktisch – allen technischen Mängeln zum Trotz – im Heimkino statt? Und wieviel tatsächlich noch in Programmkinos? Hand aufs Herz: Wo hat man die Filme von Keaton und Chaplin, Ford und Wyler, Kurosawa und Ozu, Renoir und Welles, Truffaut und Godard gesehen?
Seitdem das Fernsehen in den 50er Jahren in die Haushalte Einzug hielt, konsumieren Menschen Filme auch außerhalb des Kinos. Schon damals kämpften die Hollywood-Studios mit spektakulären technischen Neuerungen wie Technicolor, Cinemascope und 3D um die Gunst des Zuschauers gegen den neuen Konkurrenten an. Das Kino hat Fernsehen überlebt und auch Video, DVD und BluRay. Es wird auch Netflix überleben, wenn es lernt, das neue Medium nicht als Feind sondern notwendige Ergänzung zu betrachten. Nicht überall gibt es Kinos, aber fast überall gibt es Internet und somit auch die Möglichkeit, Filme zu streamen. Ähnlich wie in den 80er Jahren die VHS-Kassette den Studios ermöglichte, ihre Filme auch in die abgelegensten Winkel zu bringen oder Fans das Frühwerk eines Regisseurs retrospektiv entdecken zu lassen, wo kein Kino in der Nähe oder Fernsehsender sich anschickte eine solche Reihe zu kuratieren, so kann man auch mit Streamingdiensten kooperieren, sie als Ergänzung zum eigenen Angebot sehen und nicht als Untergang der Filmkunst.